Psychologische Schmerztherapie
Multifaktorielles Modell
Die Schmerzwahrnehmung wird von
unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, die sich größtenteils
wiederum gegenseitig bedingen. Daher die etwas sperrig klingende Bezeichnung
des Multifaktoriellen Schmerzmodells.
Auf der körperlichen Ebene sind bei der
Schmerzweiterleitung vielfältige Mechanismen beteiligt, von der ersten
Wahrnehmung eines Schmerzreizes bis zur Lokalisation des Schmerzortes in der
Großhirnrinde. Bereits auf der Zellebene wie auf verschiedenen anderen
Ebenen der Schmerzverarbeitung gibt es modulierende Mechanismen, die hemmend
oder verstärkend auf die Schmerzintensität eingreifen können.
Wird das Nervensystem ständig mit Schmerzsignalen aktiviert, kommt es zu
komplexen Veränderungen im peripheren und zentralen Nervensystem. Diese
vielen plastischen Veränderungen im Nervensystem führen zu einem
Schmerzgedächtnis, was das ursprünglich schädigende Ereignis
überdauert. Die Sensibilität des Systems wird bei länger
dauerndem Schmerzreizen heraufgesetzt. Dies lässt sich mit dem Vorgang
vergleichen, wenn man eine besonders leise gespielte Stelle eines Violinkonzert
besser hören will: man stellt den Verstärker lauter.
Uns interessieren jedoch eher die psycho-sozialen Aspekte
der Schmerzwahrnehmung
Jeder Schmerz wird auch auf der
Gefühlsebene wahrgenommen: Haben wir länger dauernde Schmerzen,
schlägt das auf die Stimmung. Schlechte Stimmung lässt uns eher
inaktiv werden. Die Inaktivität wird vielleicht durch den auftretenden
Bewegungsschmerz verstärkt. Schlechte Stimmung und / oder Inaktivität
führen jedoch auch zu einer Zunahme der Muskelanspannung, diese wiederum
zu erhöhter Schmerzintensität: ein Teufelskreis!
Schmerzsignale wollen wahrgenommen sein.
Unsere Aufmerksamkeit richtet sich zunehmend auf den Schmerz; sie dann auf
andere Dinge zu richten wird zunehmend schwieriger.
Schmerz wird häufig wie Stress
wahrgenommen, innerer und äußerer Stress wiederum verstärken
jedoch die Schmerzintensität.
Häufig ist der Tagesablauf durch
Gedanken an den Schmerz beeinträchtigt, wie etwa: »Hört das
denn gar nicht mehr auf?« oder »Sicher kann ich heute nicht ins
Konzert gehen, wenn die Migräne noch stärker wird«. Das
wiederum hat einen Einfluss auf die Gefühle, die Aufmerksamkeit und die
körperliche Verfassung. Bitte versuchen Sie sich doch auch einmal an dem
Fragebogen im PDF-Format.
Eine große Rolle spielt auch die
individuelle Lerngeschichte, mit Schmerz umzugehen. Die Schmerzschwelle ist bei
Menschen sehr unterschiedlich. Wer als Kind gelernt hat, »ein Indianer
kennt keinen Schmerz« wird mit Schmerzen anders umgehen, als jemand, der
als Kind für Schmerzäußerungen große Zuwendung erhielt.
Nicht außer Acht zu lassen ist
selbstverständlich auch die sogenannte interaktionelle Ebene. Wie reagiert
das Umfeld auf die Beschwerden? Was sagt die Familie, wenn geplante
Aktivitäten kurzfristig abgesagt werden müssen? Was meinen
Arbeitgeber und Kollegen zu häufigen Arbeitsausfällen wegen der
mehrfach im Monat auftretenden Migräne?
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